Druckstoß

Ein Druckstoß entsteht in einer flüssigkeitsführenden Rohrleitung durch eine Änderung der Strömungsgeschwindigkeit, z. B. wenn eine Armatur oder ein Ventil zu schnell geschlossen oder geöffnet wird. Beim schnellen Schließen des Ventils bewirkt die Energie des sich in der Rohrleitung weiter fortbewegenden Fördermediums vor der Armatur durch Kompression einen schnellen Druckanstieg.
Direkt hinter der Armatur kommt es aufgrund der weiteren Fließbewegung des Förderstroms zur Bildung eines Unterdrucks, der bei genügend großem Druckgefälle ein vorübergehendes Abreißen der Flüssigkeitssäule und einen nachfolgenden Rückfluss des Förderstroms in die Armatur bewirkt. Dabei können sowohl Armatur als auch Rohrleitung zerstört werden.

Meist tritt der größte Druckstoß auf, wenn bei Stromausfall die maximale Anzahl von im Betrieb befindlichen Pumpen einer Pumpstation ausfällt. Die Druck- und Geschwindigkeitsänderung bleibt dabei nicht auf die Störstelle beschränkt, sondern breitet sich stromab- und -aufwärts mit der Druckwellenfortpflanzungsgeschwindigkeit aus. An Unstetigkeitsstellen (z. B. Rohrverzweigungen, Armaturen, Querschnittsänderungen, Behältern) werden die Wellen dabei je nach Randbedingung unter Phasen- und Amplitudenumkehr mehr oder weniger reflektiert. 

Der Zustand an einer bestimmten Stelle zu einer bestimmten Zeit ergibt sich durch Überlagerung aller bis zum fraglichen Zeitpunkt an der betrachteten Stelle eingetroffen Wellen. Die Druckschwankungen selbst und die dabei auftretenden Maximaldrücke können die Anlage übermäßig beanspruchen. 

Der Dampfdruck kann zwar nicht unterschritten werden, der Minimaldruck kann diesen allerdings erreichen. Wirkt er längere Zeit, bildet sich ein Kavitationsraum aus, welcher die Flüssigkeitssäule in zwei Teilsäulen trennen kann und damit abreißt. Nach deren Geschwindigkeitsumkehr kommt es zum Rückstrom der Teilsäulen, wodurch diese oft mit großen Geschwindigkeitsdifferenzen aufeinanderprallen und somit einen neuen Druckstoß hervorrufen (siehe Wasserschlag, Stoßkondensation).
Dieser fällt meist wesentlich größer als der ursprüngliche aus. 

Maximal zulässige Unterdrücke in Abhängigkeit von Material und Verlegung 

  • bei Kunststoff- und Glasfaserkunststoffrohren maximal 0,2 bar 
  • bei geschweißten Stahlrohren (abhängig von der Wanddicke) für mittels Muffen verbundene Rohrleitungen aus Stahl oder Guss bei ca. 0,4 bar absolut (entspricht 0,6 bar Unterdruck) 

Der Minimaldruck sollte an keiner Stelle des Systems den umgebenden Luftdruck unterschreiten. Er ist somit derjenige Systemdruck, der nach einem Stromausfall als erstes zu begrenzen und zu verhindern ist. Am meisten druckstoßgefährdet sind somit die Nieder- oder Mitteldrucksysteme und nicht die Hochdrucksysteme. 

Nach JOUKOWSKY gilt für die maximale Druckänderung:

Für die maximale Änderung der Druckhöhe gilt:

Die maximale Änderung der Druckhöhe (ΔHmax) kann sich nur dann ausbilden, wenn für die Zeit (ts), in der die volle Geschwindigkeitsänderung (v0) vorgenommen wird, folgendes gilt:

Die Druckänderung nach JOUKOWSKY überlagert sowohl positiv als auch negativ den stationären Druck vor dem Störfall. Dadurch können auch negative Drücke in der Rohrleitung errechnet werden, was ja physikalischer Unsinn ist, da der Dampfdruck nicht unterschritten werden kann, s. o.

Ist die Zeit (ts) für die Geschwindigkeitsänderung größer als die Reflexionszeit (tr), dann ist zur Berechnung der maximalen Druckhöhenänderung (ΔH) bei v0 die Geschwindigkeitsänderung innerhalb der Reflexionszeit einzusetzen.

Der Zusammenhang zwischen Schalt- und Reflexionszeit drückt implizit aus, dass die Druckänderungen (Δp) umso kleiner werden, je größer die Schaltzeit (ts) im Verhältnis zur Reflexionszeit (tr) der Anlage ist. Das Größenverhältnis sollte etwa bei 5 zu 1 liegen, um die Folgen des Druckstoßes innerhalb zulässiger Grenzen zu halten. 

Hierbei wird zwischen zwei Fälle unterschieden, wobei diese Maßnahmen erst im zweiten Schritt zur Begrenzung des Maximaldruckes wirksam werden müssen:

ts ist vorgegeben und tr muss entsprechend dem Größenverhältnis verkleinert werden durch:

  • möglichst kurze Rohrführung 
  • Erzwingen von Zwischen-Reflexionsstellen bei langen Leitungen (bspw. durch Wasserschloss am Hochpunkt, Standrohre an Zwischen- und Hochpunkten, Belüften der Leitung an Hochpunkten, Nachsaugbehälter)

tr ist vorgegeben und ts muss entsprechend dem Größenverhältnis vergrößert werden durch:

  • passende Wahl des Schließgesetzes der Armatur
  • Verlängerung des Pumpenauslaufs bei Abschaltung (bspw. durch Schwungmassen)
  • Nachliefern von Flüssigkeit aus einem Behälter (z. B. Druckbehälter, Standrohr, Nachsaugbehälter)
  • Abführen sich plötzlich stauender Flüssigkeitsmassen (bspw. über Nebenauslässe, Sicherheitsventile, Bypass)

Nach der JOUKOWSKY-Gleichung ist die Druckänderung gering, wenn die Geschwindigkeitsänderungen der Strömung (Δv) sowie Druckwellenfortpflanzung (a) klein bleiben. Dies gilt für leichte Flüssigkeiten, kleine Strömungs- und geringe Schallgeschwindigkeiten (z. B. durch weite Leitungen). 

Die Größen können meist aber nur geringfügig oder mit sehr großem Aufwand beeinflusst werden, wenn bei der Planung das Druckstoßproblem nicht schon berücksichtigt worden ist.
Unzulässig hohe oder niedere Drücke können oft nur mit geeigneten Druckstoßsicherungen vermieden werden. Die Auswahl und Bemessung der erforderlichen Druckstoßsicherung sind so komplex, dass sie per Computer berechnet werden müssen (siehe auch DVGW-Merkblatt W 303 „Dynamische Druckänderungen in Wasserversorgungsanlagen“).