Wasserstoff-Strategien: So wollen die Nationen ihre Stellung im Weltmarkt sichern
Wasserstoff ist das Element der Zukunft: In einer dekarbonisierten Weltwirtschaft wird er eine Rolle spielen, wie heute Öl oder Erdgas und den wirtschaftlichen Erfolg von Nationen bestimmen. Praktisch alle bedeutenden Industrienationen haben daher nationale Wasserstoff-Strategien entwickelt, um sich Anteile des künftigen Weltmarkts zu sichern. Als Hersteller von Pumpen und Armaturen ist KSB ein wichtiger Zulieferer der Wasserstoff-Industrie. Basierend auf der Länderanalyse des Wasserstoffkompasses und den im Internet veröffentlichten Wasserstoff-Strategien vergleichen wir die Zukunftspläne der Nationen. Welche Prioritäten setzen sie und wie unterscheiden sich ihre Vorgehensweisen?
China: Abhängigkeit von Rohstoffimporten verringern
China hat schon heute eine dominante Stellung auf dem Wasserstoff-Markt. Als weltweit größter Produzent stellt das Land pro Jahr 33 Millionen Tonnen des Gases her. Allerdings produziert es nur 0,1 Prozent davon „grün“ durch die Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Auch bei der Produktion von Elektrolyseuren führt es: Etwa 40 Prozent der weltweit produzierten Geräte zur Synthese von grünem Wasserstoff werden in China hergestellt. Dank massiver staatlicher Förderungen sind sie im Schnitt 72 Prozent billiger als ihre westlichen Konkurrenzprodukte.
Diese Stellung will China mit seiner nationalen Wasserstoff-Strategie halten und ausbauen. Diese sieht vor, die Kapazität von Elektrolyseuren auf 80 Gigawatt auszubauen und bis 2025 100.000 bis 200.000 Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren. Das ist mit Blick auf die wirtschaftliche Größe des Landes ein moderates Ziel. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass es in China zahlreiche Wasserstoff-Pläne der Regionen gibt, deren Ziele weit über die nationale Strategie hinausgehen. Das Ziel der Inneren Mongolei für die Wasserstoff-Produktion ist beispielsweise mehr als doppelt so hoch wie das nationale und scheint angesichts der bereits im Bau befindlichen Projekte erreichbar zu sein. Die Region hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 480.000 Tonnen erneuerbaren Wasserstoff pro Jahr zu produzieren.
Bei der Anwendung des produzierten grünen Wasserstoffs konzentriert sich China auf den Verkehr. Das Land will dabei seinen Erfolg auf dem Weltmarkt bei elektrischen PKWs auf Busse und LKWs übertragen. Da diese sehr weite Strecken fahren, können sie nur schwer elektrisch betrieben werden – Fahrzeuge mit Brennstoffzellen sind dafür besser geeignet.
Die chinesische Wasserstoff-Strategie verspricht daher 50.000 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf den Straßen und ein entsprechendes Netz von Wasserstoff-Tankstellen bis 2025. Für China ist Wasserstoff-Mobilität nicht nur ein wichtiger Hebel zur Senkung der CO₂-Emissionen. Weil seine Wirtschaft stark abhängig von der Einfuhr fossiler Brennstoffe über Seewege ist, ist das Thema auch von strategischer und geopolitischer Bedeutung.
USA: Jobs schaffen
In den USA treibt die Biden-Administration mit dem im August 2022 in Kraft getretenen Inflation Reduction Act (IRA) die Transformation der Energiewirtschaft voran. Sie investiert insgesamt 396 Milliarden US-Dollar in Klimaschutzmaßnahmen. Ziele dieses Gesetzes sind nicht nur Klimaschutz und Jobwachstum, sondern auch eine Abhängigkeit von China bei Wasserstoff-Technologie zu verhindern, wie sie bereits bei Solarzellen und Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge eingetreten ist. Branchenbeobachter sehen im IRA daher einen Auftakt zu einem internationalen „Wettrüsten” bei den Förderungen grüner Technologien.
Aufsehen erregte die in einem Entwurf vorgeschlagene großzügige Steuergutschrift für Unternehmen von bis zu drei US-Dollar pro Kilogramm produziertem Wasserstoff. Diese würde grünen Wasserstoff in einigen Anwendungen, wie in der Raffinerie- und Ammoniakbranche, praktisch sofort kompetitiv mit grauem Wasserstoff machen. Zu den Zielen der U.S. National Clean Hydrogen Strategy and Roadmap zählen ein Zielpreis von einem US-Dollar für das Kilogramm Wasserstoff innerhalb von zehn Jahren und die Produktion von 50 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr bis 2050 – eine Menge, die nach Aussage des stellvertretenden US-Energieministers David Turk ausreichen würde, um „nicht nur jeden Bus und Zug, sondern auch jedes Flugzeug und jedes Schiff in den USA” mit Wasserstoff zu betreiben.
Dabei verbindet der IRA Fördermittel für die Produktion von grünem Wasserstoff nicht mit Maßnahmen zum Ankurbeln der Nachfrage, wie Emissionshandel oder Umweltauflagen von Unternehmen. Das sehen Branchenbeobachter als Hinweis darauf, dass die USA vor allem als Exporteur des Gases zum Beispiel nach Europa auftreten möchten. Dabei verknüpft die US-Regierung Klimaschutzziele mit Maßnahmen zum Schutz der nationalen Wirtschaft. So müssen beispielsweise Solar-, Wind-, Wechselrichter- und Batteriekomponenten einen Mindestanteil von US-amerikanischen Produkten enthalten, um Steuervorteile zu erhalten – eine Maßnahme, die auf scharfe Kritik von Handelspartnern wie der EU traf.
EU: Importe von Partnerländern erhalten
Die Europäische Union ist einer der größten Importeure von Energieträgern. Diese Situation wird sich auch in einer dekarbonisierten Weltwirtschaft nicht ändern. Die Wasserstoff-Strategie der EU zielt daher sowohl darauf ab, die Produktion von Wasserstoff in Europa zu erhöhen, als auch Partnerschaften für Produktion und Import aus umliegenden Ländern einzugehen.
Die Ziele der ursprünglichen Wasserstoff-Strategie von 2020 wurden nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit dem REPowerEU-Plan 2022 noch mal erhöht. Dazu müsste die EU Elektrolyseure mit einer Leistung von 40 Gigawatt (GW) installieren und nochmals den Aufbau der gleichen Leistungsmenge in Nachbarländern wie Marokko oder den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützen. Ihre Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien müsste Europa von 1000 Terawattstunden (TWh) pro Jahr auf etwa 2000 TWh pro Jahr verdoppeln. Nach diesen Plänen soll der Staatenbund bis 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien erzeugen und nochmal die gleiche Menge aus Partnerländern importieren.
Um dies zu erreichen, setzt die EU auf ein Maßnahmenpaket, das sowohl die Produktion, als auch die Nachfrage nach Wasserstoff anregen soll: Der Emissionshandel soll den Preis für grauen, aus Erdgas hergestellten Wasserstoff schrittweise erhöhen. Grüner Wasserstoff wird dementsprechend preislich attraktiver. Die Einnahmen verwendet die EU wiederum für die Förderung von Wasserstoff-Projekten. Um Fördermittel können sich Unternehmen im Rahmen einer Auktion bei der European Hydrogen Bank bemühen, bei der sie sich gegenseitig beim Anteil der Förderung pro Kilogramm produziertem Wasserstoff unterbieten. Bei der ersten Auktion von 720 Millionen Euro Fördermitteln stellte die Wasserstoff-Bank bis zu 4,5 Euro pro produziertem Kilogramm Wasserstoff in Aussicht – offensichtlich ein Versuch, die von der US-Regierung gebotenen drei US-Dollar pro Kilogramm zu überbieten. Das Ergebnis der Auktion erlaubt auch einen Ausblick auf die zukünftige Geografie der Wasserstoff-Produktion in Europa: Die sieben Gewinner-Projekte stammen ausschließlich aus Skandinavien und von der Iberischen Halbinsel. Der Grund ist, dass in beiden Gebieten die Preise für grünen Strom aus grünen Quellen sehr niedrig sind. Spanien und Portugal produzieren preisgünstigen Strom aus Sonne und Wind, während in Skandinavien norwegische Wasserkraftwerke die Strompreise drücken.
Zusätzlich zur EU-Wasserstoff-Strategie haben die europäischen Nationalstaaten eigene Pläne, die sich zum Teil stark unterscheiden. Bei den Installationszielen für Elektrolyseure hat Deutschland mit 10 Gigawatt bis 2040 die ambitioniertesten Ziele – hinkt aber in der Realität Spanien hinterher. In dem Land auf der Iberischen Halbinsel sind bereits 14 Gigawatt von Unternehmen konkret geplant.
Russland: Stellung auf dem Energiemarkt erhalten
Die Wirtschaft Russlands basiert zu großen Teilen auf dem Export von fossilen Energieträgern. Durch die europäischen Pläne sieht Russland seine Stellung als bedeutender Exporteur von Erdgas gefährdet. Im Juni 2020 veröffentlichte die Russische Föderation ihre Energiestrategie bis 2035. Darin plant das Land, zu einem Hauptakteur auf dem globalen Wasserstoff-Markt zu werden.
Das vorrangige Ziel Russlands ist es, ein weltweit führender Produzent und Exporteur von Wasserstoff-Energie zu werden. Offizielle Ziele sind der Export von 0,2 Millionen Tonnen bis 2024 und 2 Millionen Tonnen bis 2035 sowie 15 bis 50 Millionen Tonnen auf den Weltmarkt bis 2050. Dabei will das Land auch grauen Wasserstoff exportieren, der unter Ausstoß von Kohlendioxid aus Erdgas gewonnen wird. So möchte es seine sozioökonomische Entwicklung steigern und seine beherrschende Stellung im globalen Energiebereich beibehalten.
Allerdings wurden die Ambitionen des Landes durch den Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 gefährdet. Dies hat dazu geführt, dass Russland wichtige politische und wirtschaftliche Partner in Europa und auch in Asien verloren hat, was – in Kombination mit den härtesten Sanktionen in seiner Geschichte – seinen im Entstehen begriffenen Wasserstoff-Sektor lähmen wird. Daher wird Russland nach alternativen Märkten für seine Energierohstoffe suchen müssen. Und es wird sich um Geschäfte mit China bemühen, dem einzigen Land, dessen Energiehunger mit dem Europas mithalten kann.