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Undichte Rohrleitung, aus der Wasser mit hohem Druck entweicht
11 min Lesezeit

Wenn Wasserleitungen einen Knall haben: Alles über Druckstöße in Rohrleitungen

Wenn’s in der Wasserleitung rumpelt, sind meist Druckstöße die Ursache. Lesen Sie hier, wie solche hydraulischen Stöße entstehen können welche Folgen sie haben können und wie sich diese möglichst verhindern lassen.

Wenn’s in der Wasserleitung rumpelt, sind meist Druckstöße die Ursache. Lesen Sie hier, wie solche hydraulischen Stöße entstehen können welche Folgen sie haben können und wie sich diese möglichst verhindern lassen.

Am frühen Morgen des 2. Januar 1998 wurden die Anwohner der Fifth Avenue in New York City durch einen lauten Knall aus dem Schlaf gerissen. Eine etwa 100 Jahre alte Hauptwasserleitung mit 48 Zoll Durchmesser war gebrochen. Die Folge: Mehrere Hunderttausend Liter Wasser unterspülten in kürzester Zeit die Straße und brachten diese auf langer Strecke zum kompletten Einsturz. Zudem schlugen aus einem Gasleck etwa zwei Stockwerke hohe Flammen.

Am 4. Juli 2009 fielen nach einem Spannungseinbruch im gesamten Hamburger Stadtgebiet abrupt die Pumpen von 14 Wasserwerken aus. Als die Pumpen wieder angefahren wurden, kam es zum Bruch von insgesamt 16 beschädigten Wasserleitungen und entsprechend immensen Schäden.

Das sind nur zwei Beispiele für Ereignisse, die ein und dieselbe Ursache hatten – nämlich unkontrollierte Druckstöße in wasserführenden Leitungen (engl. water hammer). Das Phänomen ist bereits seit der Antike bekannt. Bereits hundert Jahre vor Christus wurde von Wasserschlägen in römischen Blei- und Steinleitungen berichtet. Doch erst der russische Mathematiker Nikolai Joukowsky führte ab 1887 ausführliche Experimente und Berechnungen durch, wonach sich auch der Begriff Joukowsky-Stoß für dieses physikalische Ereignis etablierte. Doch wie entsteht ein solcher Druckstoß und: Wie kann man möglichen Schäden schon in der Planungsphase verhindern?

Vom Schlag getroffen: Wo können Druckstöße auftreten und wie entstehen sie?

Grundsätzlich kann ein Wasserschlag in allen Leitungen auftreten, in denen Flüssigkeiten transportiert werden – also zum Beispiel Wasser, Chemikalien, Wärmeträgeröle, aber auch Pipelines oder flüssige Lebensmittel wie Milch oder Getränke. 

Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Flüssigkeiten inkompressibel sind, sie sich also – im Gegensatz zu Gasen – nicht zusammendrücken lassen. Das ist aber nicht ganz korrekt. Auch Flüssigkeiten sind minimal kompressibel, allerdings weitaus weniger als Gase, weshalb Druckstöße auch nicht in „offenen“ Leitungen entstehen können.

Wie entsteht ein solcher Wasserschlag?

Ein Druckstoß entsteht immer dann, wenn sich die Fließgeschwindigkeit einer Flüssigkeit in einem Rohr ändert, also bei Beschleunigung oder bei Verzögerung. Ein Beispiel: Wenn jemand im Gäste-WC den Wasserhahn voll aufdreht, können schon mal 20 Liter pro Minute durch die Leitung rauschen – und das durch vergleichsweise schmale Rohre, wie sie an solchen Stellen nach DIN vorgesehen sind. Folge: Die Fließgeschwindigkeit des Wassers im Rohr kann auf über 4 Meter pro Sekunde ansteigen. Wird die Armatur jetzt schnell geschlossen, staut sich das Wasser vor der Armatur auf – es entsteht ein Druckanstieg und die sogenannte Druckwellenfront breitet sich entgegen der ursprünglichen Strömungsrichtung aus – ähnlich einer Billardkugel, die von einer Bande abprallt und zurückgestoßen wird. Gleichzeitig tritt ausgangsseitig des schnell geschlossenen Ventils eine Druckreduzierung auf, welche sich ebenso ausbreitet, jedoch in Richtung der Strömung.

Die entstehende Druckwelle in der Leitung läuft nun entgegen der ursprünglichen Strömungsrichtung, bis sie wieder auf eine Reflexionsstelle, z. B. eine plötzliche Querschnittsänderung, ein T-Stück oder ein Rückschlagventil stößt. Dort wird der Stoß erneut reflektiert und läuft so lange im System hin und her, bis die Druckwelle sich vollständig abgebaut hat.

Auch geringere Geschwindigkeiten können zu starken Beschädigungen durch Druckstoß infolge einer plötzlichen Geschwindigkeitsänderung führen. Im Haushalt sind Druckstöße aber aufgrund der geringen Durchmesser und Längen vergleichsweise unbedeutend.

Welche Geschwindigkeiten erreichen solche Druckwellen?

All das läuft in sehr hoher Geschwindigkeit ab – sie ist von mehreren Faktoren abhängig: Die Temperatur ist einer davon, entscheidender ist allerdings das Material der Rohrleitung. So können je nach Material Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeiten von bis zu 1200 m/s erreicht werden. (Zum Vergleich: Die Schallgeschwindigkeit in trockener Luft von 20 °C beträgt „nur“ 343,2 m/s.). Die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit lässt sich mithilfe einer Formel präzise berechnen:

Formel der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit
Gebrochene Wasserleitung, aus der Wasser spritzt, soll abgedichtet werden.

Wenn Leitungen aufgrund eines Druckstoßes brechen, können die Schäden schnell immens werden.

Welche Einflussfaktoren spielen eine Rolle?

Eine von Joukowsky entwickelte Gleichung kann als erster Ansatz zur Berechnung des Stoßes dienen:


∆pJou = ρ · a · ∆v


∆pJou = Joukowsky-Stoß = Druckänderung in einer Flüssigkeit [N/m2]

∆v = Geschwindigkeitsänderung

ρ = Dichte der Flüssigkeit [kg/m3]

a = Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit im flüssigkeitsgefüllten Rohr [m/s]


Wenn man vereinfachte Annahmen für die Erdbeschleunigung und die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit trifft, ergibt sich:


∆hJou = (a / g) · ∆v ≈ 100 ∙ ∆v

 

∆hJou = Druckhöhenänderung [m]

g = Erdbeschleunigung [m/s2]

Die Schließzeiten eines Ventils spielen eine wesentliche Rolle.

Abruptes Ändern der Geschwindigkeit führt zu maximalen Druckänderungen, während langsames Ändern wesentlich geringere Druckamplituden nach sich zieht – und daher als eine Option zur möglichen Sicherung gegen unzulässige Drücke herangezogen werden kann.

Vereinfacht kann man sagen, dass beim Abbremsen oder Beschleunigen der Flüssigkeit sich die Geschwindigkeitsenergie im System in Druckenergie umwandelt. Da sowohl die Flüssigkeit als auch die Rohrleitung gering kompressibel bzw. dehnbar sind, können sie tatsächlich einen Bruchteil der Energie absorbieren. Die Zeit, bis der Druckstoß abebbt, hängt von der Beschaffenheit des Rohres ab: Material, Dicke und die Rauheit der Innenwände, da vor allem die Energieumwandlung in Reibungswärme für ein „Abebben“ sorgt. Als Faustformel lässt sich sagen:

Je schneller der Durchfluss einer Leitung gestoppt oder beschleunigt wird, desto kräftiger sind Druckanstieg bzw. Druckabfall.
Und: Je schneller sich das Fluid vor der Abbremsung bewegt hat, desto kräftiger sind Druckanstieg bzw. Druckabfall.

Mitentscheidend für mögliche Druckstoß-Schädigungen ist u. a. das Rohrmaterial

Gusseisen ist beispielsweise ein eher sprödes Material und daher besonders störungsanfällig. Andere, stärker dehnbare Werkstoffe wie beispielsweise Kunststoff absorbieren die Druckstöße besser, ohne zu zerbrechen. (Siehe Einfluss des Elastizitätsmoduls in der Gleichung weiter oben.) Aber auch sie können Schaden nehmen, genauso wie Ventile, Sprinklerköpfe und Rohrverbindungen. Wasserschläge können sich zudem nachteilig auf Rohrhalterungen und Pumpenfundamente auswirken.

Ganz schön kräftig: Welche Folgen kann ein Druckstoß haben?

Die eingangs beschriebenen Beispiele zeigen, dass ein Druckstoß immense Ausmaße erreichen kann. Beispielsweise kann die kurzzeitige dynamische Belastung in einer 12-mm-Kupferrohrleitung deutlich über 60 bar liegen – eine Größenordnung, die kein Fachhandwerker einer wasserführenden haustechnischen Anlage im Rahmen einer Dichtheitsprüfung zumuten würde.* Ebenso sind Druckabfälle bis auf Dampfdruck möglich – mit entsprechend möglichen Schäden:

  • Rohre können brechen und Armaturen beschädigt werden
  • Rohrbefestigungen können sich lösen
  • Pumpen und deren Fundamente können Schäden davontragen
  • Kunststoff- und dünnwandige Stahlleitungen können sich verformen
  • Bei Druckabsenkung kann Luft oder Schmutzwasser über Flansch- und Muffenverbindungen, Stopfbuchsen oder Leckstellen angesaugt werden
  • Innenbeschichtungen (Zementmörtelauskleidung, Kunststoff) in Rohrleitungen können abplatzen 
  • Abreißen der Wassersäule und Makrokavitation (Zusammenschlagen der getrennten Wassersäulen bzw. Aufschlagen einer abgerissenen Wassersäule auf ein geschlossenes Ventil)

Dagegen erscheinen die „normalen“ Nebenwirkungen von Drückstößen geradezu harmlos: Vibrationen, Schwingungen, schlagende, rasselnde oder hämmernde Geräusche aus der Wasserleitung. Aber auch das kann die Nachtruhe empfindlich stören.

Wie lassen sich Druckstöße also verhindern?

Dem Druckstoß einen Dämpfer geben: Wie lassen sich Wasserschläge verhindern?

Schlechte Nachricht: Druckstöße lassen sich rein physikalisch überhaupt nicht verhindern – allerdings kann man sie in zulässigen Grenzen halten. Und das beginnt bereits in der Planungsphase. Der Fachplaner sollte hier einiges an Know-how über Strömungsmechanik und über die Auslegungsproblematiken bei Wasser- und Heizungsanlagen mitbringen. Für die Vermeidung von Wasserschlägen sind folgende Parameter entscheidend:

  • das Rohrleitungsprofil
  • die Länge der Rohrleitung
  • das Trägheitsmoment der Pumpe (plus Motor, Kupplung, Riemenscheibe, etc.)
  • das Rohrleitungsmaterial und die Abmessungen
  • sowie maximale Fördermenge, Fördermedium und Wasserstände.

Letztlich kann nur jemand eine Anlage vor Wasserschlägen schützen, der in der Lage ist, den entstehenden Druck in einem Rohrleitungssystem präzise zu berechnen, die richtigen Schlüsse aus diesen Berechnungen zu ziehen und die eben genannten Parameter entsprechend auszulegen.

Darüber hinaus existieren einige aktive Schutzmaßnahmen, die ergriffen werden können, um das System vor Druckstößen zu bewahren:

  • Mithilfe eines Frequenzumrichters kann die Drehzahl einer Pumpe genau gesteuert werden – das schützt beispielsweise vor zu schnellem Herabfahren einer Pumpe.
  • Ein sog. „Softstarter“ verhindert durch weiches Starten und Herunterfahren einer drehzahlgeregelten Pumpe allzu heftige Druckspitzen.
  • Genauso ist das korrekte Öffnen und Schließen von Ventilen entscheidend: Je langsamer ein Ventil geschlossen wird, desto geringer der Druckstoß. Das lässt sich z. B. durch hydraulisch unterstützte Klappen erreichen.
  • Überdruckventile beugen möglichen Überdruck in der Rohrleitung vor. Vakuumsicherheitsventile, die auf der Abströmseite des Ventils installiert werden, erlauben es, dass bei Bedarf Luft in das System eindringen kann, um einem Vakuum vorzubeugen.
  • Ein größerer Durchmesser reduziert die Strömungsgeschwindigkeiten und somit auch die maximal mögliche Geschwindigkeitsänderung infolge einer abrupten Verzögerung.
  • Das Rohrmaterial beeinflusst ganz entscheidend die Höhe der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit
  • Ein Membran- (oder Wind)kessel ist ein Behälter, in dem sich ein „Luftpolster“ befindet, welches komprimiert werden kann. Ähnlich wie bei einem Luftballon nimmt das Luftpolster bei einem Druckanstieg die entstehende Energie auf.

Davon unabhängig sollten zusätzlich einige Faktoren beachtet werden: etwa die Menge der Pumpen, die Bedingungen bei normalen Stopps und bei einem möglichen Stromausfall sowie das Risiko von Verformungen, Materialermüdung und Verstopfung.

Mechanischer Wasserschlagdämpfer

Den Druck aus der Leitung nehmen: Zusammenfassung und Fazit

Druckstöße in Leitungen entstehen immer dann, wenn sich die Strömungsgeschwindigkeit einer Flüssigkeit mehr oder weniger abrupt ändert, beispielsweise durch einen Stopp der Pumpe oder das Schließen eines Ventils. Da Rohrwände nur wenig elastisch sind, kann sich der gesteigerte Druck als Folge des Aufstauens nur in eine Richtung ausbreiten: axial in entgegengesetzter Strömungsrichtung. Radiales Ausbreiten wird durch die Rohrwand begrenzt bzw. nur geringfügig zugelassen. Es kommt zu einer Ausbreitung der Druckwelle ins System, der dramatische Folgen haben kann: Rumpeln in der Leitung, Schäden an Armaturen, Leckagen, selbst kapitale Rohrbrüche. 

Um solchen Druckstößen entgegenzuwirken, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die ergriffen werden können: Beginnend mit der richtigen Planung bzw. Auslegung der gesamten Anlage über den Einbau von sich langsam schließenden Ventilen und mechanischen Wasserschlagdämpfern bis hin zu elektronischen Steuerungsmodulen für Pumpen für adäquates An- und Herunterfahren. Allerdings ist zu beachten, dass keine allgemeingültige Lösung existiert – jedes System benötigt seine individuell abgestimmte Schutzmaßnahme. Um eine Heizungsanlage druckstoßsicher zu planen, gehört also eine Menge Know-how – KSB unterstützt Sie gern bei der Auslegung, zum Beispiel mit KSB EasySelect, unserer Auslegungssoftware für alle Anwendungen.

* https://www.ikz.de/detail/news/detail/druckstoesse-im-trinkwassernetz/

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